Erneuter Appell an die Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Land Sachsen-Anhalt

An unseren Bedenken zum vorliegenden Entwurf, die wir u. a. auch in der Anhörung am 1. März 2012 im Detail vorgetragen haben, hat sich nichts geändert. Zahlreiche Vertreter der Kammern und Verbände haben die gleiche Kritik wie wir geübt. Leider zeigt der danach überarbeitete Gesetzentwurf, dass die vorgetragenen Argumente der Wirtschaft insbesondere zur Tariftreue (Gesetzentwurf § 10 Ziff. (1)) und zu den vergabefremden Kriterien durch die Koalitionspartner nicht ernst genommen worden sind. Vergabefremde Kriterien im Vergaberecht verfälschen den Wettbewerb um das wirtschaftlichste und qualitativ hochwertigste Angebot zu Lasten der öffentlichen Haushalte und benachteiligen den Mittelstand. Erhöhte Bürokratiekosten wären bei Einführung des jetzigen Entwurfes ebenfalls die Folge.

Nochmals betonen möchten wir an dieser Stelle, dass das eigentliche Anliegen einer leistungsorientierten Entlohnung nicht mit dem gesetzlichen Zwang zur Tariftreue zu regeln ist. Es besteht die Gefahr, dass zahlreiche Bieter auf Grund der bürokratischen und kostenmäßigen Belastungen durch Regelungen zur Tariftreue nicht an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können.
Im Übrigen ist eine nicht vorhandene Tariftreue in Form der Bindung an einen Tarifvertrag kein Indiz dafür, dass nichttarifgebundene Unternehmen ihren Mitarbeitern keine Entgelte in angemessener Höhe zahlen.
Im Gegenteil, es gibt genügend Unternehmen, die ohne Tarifbindung Entgelte zahlen, die über denen der Tarifverträge liegen. Immerhin kann ein jeder Unternehmer in Deutschland für sich eine freie unternehmerische Entscheidung treffen, ob er sich einem Tarifvertrag anschließt oder ob er entsprechend seiner Ertragslage Löhne und Gehälter in angemessener Höhe zahlt. 
Wenn überhaupt, dann gehören gesetzliche Vorgaben für einen allgemeinverbindlichen Arbeitslohn in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und sind nicht auf Landesebene zu regeln.
Mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, dem Mindestarbeitsbedingungengesetz und den als allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen hat der Bund jedoch bereits abschließend Regelungen zu allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen für einzelne Wirtschaftsbranchen erlassen, die einzuhalten sind. Länder können grundsätzlich dazu keine Gesetze mehr erlassen (Art. 72 GG). 

Insofern ist zumindest im o. g. Gesetzentwurf § 10 Tariftreue und Entgeltgleichheit Ziff. (1) überflüssig und kann ersatzlos gestrichen werden.

Vielmehr muss es in der Anwendung um die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben gehen.
In weitergehenden Verhandlungen zu diesem Gesetzentwurf sind Aspekte wie Lohnuntergrenzen sowie deren Ermittlung durch eine Lohnkommission unbedingt zu vermeiden, denn sie stellen einen massiven Eingriff in die Koalitionsfreiheit dar. 
Eine Orientierung der Lohnuntergrenze an den allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen der Zeitarbeit wäre vollkommen willkürlich, weil dazu kein sachlicher Zusammenhang besteht. Würde Unternehmen eine staatlich geregelte Lohnuntergrenze vorgegeben werden, könnten sich Produkt- und Verfahrenskosten erhöhen und sich die Absatzchancen verringern.
Schlussfolgernd wird festgestellt, dass jedes Unternehmen auf der Basis von technologischen Vorgaben seine Produkt- und Verfahrenskosten kalkuliert, die wiederum Grundlage für das zu gewährende Entgelt darstellen. Zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit verfügen Unternehmen damit über Lohn- bzw. Leistungsuntergrenzen.