Stellungnahme des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt e. V. (AVW) zu den Änderungsvorschlägen des Ministeriums für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt zum Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt (TVergG LSA)
1. Einleitung: Unsere bisherigen Anmerkungen zum TVergG LSA
In unserer ursprünglichen Stellungnahme vom 25.08.2022 haben wir als Allgemeiner Arbeitgeberverband der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt e. V. (AVW) mehrfach betont, dass das Ziel eines Tariftreue- und Vergabegesetzes die Entbürokratisierung, Transparenz und Wirtschaftlichkeit der Vergabeprozesse sein muss. Insbesondere:
- Bürokratische Hürden sollten abgebaut werden, um kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Teilnahme an Vergabeverfahren zu erleichtern.
- Vergabefremde Kriterien, wie Tariftreueverpflichtungen oder soziale Zusatzforderungen, verfälschen den Wettbewerb und benachteiligen den Mittelstand.
- Eine Angleichung der Schwellenwerte an Bundes- und EU-Vorgaben ist notwendig, um Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.
- Das Vergaberecht darf nicht zu einem politischen Steuerungsinstrument umfunktioniert werden, sondern muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren: Transparente Vergabe und wirtschaftlichste Angebote.
- Die aktuellen Vorschläge des Ministeriums zur Novellierung des TVergG LSA bieten teilweise notwendige Korrekturen, erfordern jedoch aus unserer Sicht gezielte Anpassungen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Vergabestellen zu reduzieren.
2. Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen
2.1. § 1 Sachlicher Anwendungsbereich
a) Streichung von § 1 Abs. 1 Satz 2
Wir stimmen der Streichung zu. Die kompetenzrechtlichen Bedenken aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes sind nachvollziehbar. Eine zusätzliche landesrechtliche Regelung führt zu unnötigem bürokratischem Aufwand, der insbesondere KMU von der Teilnahme an Ausschreibungen abhält.
b) Freiberufliche Leistungen
Auch die ausdrückliche Ausnahmeregelung für freiberufliche Leistungen wird von uns begrüßt. Freiberufliche Tätigkeiten sollten nicht durch übermäßige Regulierungen belastet werden, da hier ein freier Wettbewerb über die Qualität der Leistung sicherzustellen ist.
c) Gesamtauftragswert und Losverteilung
Der Vorschlag zur Ausnahmeregelung für Lose ist ebenfalls sinnvoll. Wir unterstützen darüber hinaus die weitergehende Forderung, dass Lose unterhalb der Schwellenwerte vom Gesetz ausgenommen werden. Eine Konzentration auf den Gesamtauftragswert widerspricht dem Ziel der Mittelstandsförderung und erschwert KMU den Zugang zu Vergabeverfahren.
2.2. § 8 Bestbieterprinzip
Wir stimmen der vorgeschlagenen fakultativen Ausgestaltung des Bestbieterprinzips zu, da dies zur Flexibilität und Entlastung der Vergabestellen beiträgt. Allerdings sind folgende Klarstellungen erforderlich:
Vorgaben zu Nachweisen: Es muss eindeutig geregelt werden, welche Unterlagen bereits zur Angebotsprüfung und welche nur vom Bestbieter vorgelegt werden müssen.
Nachunternehmer: Es muss transparent sein, ob die gleichen Nachweise auch für Nachunternehmer erforderlich sind.
Fristverlängerung: Der zwingende Ausschluss des Bestbieters bei Fristversäumnissen führt zu Verzögerungen. Hier sollte eine Ermessensentscheidung der Vergabestellen ermöglicht werden.
2.3. § 11 Tariftreue, Mindeststundenentgelt und Entgeltgleichheit
a) Ausschluss reiner Lieferleistungen
Wir unterstützen den Vorschlag, reine Lieferleistungen aus dem Anwendungsbereich des § 11 TVergG LSA auszuschließen. Eine tarifliche Zuordnung ist hier nicht praktikabel und führt zu Rechtsunsicherheiten.
b) Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Bieter
Die bestehende Regelung benachteiligt inländische Unternehmen erheblich, da ausländische Bieter oft nicht an die Vergabemindestlöhne gebunden sind. Dies widerspricht den Prinzipien des fairen Wettbewerbs. Es muss eine Regelung geschaffen werden, die Gleichbehandlung sicherstellt, ohne gegen europäisches Recht zu verstoßen.
c) Klarheit bei tariflichen Entgelten
Der Vorschlag zur Vereinfachung der Angabe tariflicher Entgelte ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings reicht die Angabe des maßgeblichen Tarifvertrags allein nicht aus, da in der Praxis oft mehrere Tarifverträge relevant sind. Dies verursacht weiterhin hohen Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten.
2.3. § 14 Nachunternehmereinsatz
Die Aufnahme der elektronischen Form in § 14 Abs. 1 und 2 wird von uns ausdrücklich unterstützt, um den Anforderungen an Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung gerecht zu werden.
2.4. § 19 Fristenregelungen
Die vorgeschlagene Vereinheitlichung der Fristen auf 10 Kalendertage ist sinnvoll und notwendig. Die unterschiedliche Behandlung von Werktagen und Kalendertagen führt in der Praxis zu Verwirrung und Rechtsunsicherheit.
3. Zusammenfassung und Fazit
Die geplanten Änderungen enthalten sinnvolle Ansätze, bedürfen jedoch gezielter Nachbesserungen.
- Bürokratieabbau: Durch die Streichung von § 1 Abs. 1 S. 2 und die Ausnahmeregelung für Lose unter den Schwellenwerten wird KMU der Zugang zu Vergabeverfahren erleichtert.
- Bestbieterprinzip: Die fakultative Regelung ist ein Schritt in die richtige Richtung, muss jedoch klare Vorgaben enthalten.
- Tariftreue: Die Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Bieter muss behoben und reine Lieferleistungen ausgeschlossen werden.
- Digitale Prozesse: Die Einführung der elektronischen Form bei Nachunternehmern und einheitliche Fristenregelungen sind notwendig.
- Abschließend betonen wir erneut: Das TVergG LSA muss vereinfachen, entbürokratisieren und wettbewerbsfördernd gestaltet sein, um den Mittelstand zu stärken und die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu unterstützen.