18.11.2014 - Arbeitsmedizinische Vorsorge unterscheidet sich von der Einstellungs- und Eignungsuntersuchung

Seit Ende 2008 ist die arbeitsmedizinische Vorsorge in der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ (ArbMedVV) geregelt. Sie wurde ergänzt durch die am 31. Oktober 2013 in Kraft getretene Erste Änderungsverordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (BGBl. I, S. 3882). In Letzterer wird die Terminologie durch den Begriff „Arbeitsmedizinische Vorsorge“ ersetzt.

Anamnese und Mitteilung notwendiger Arbeitsschutzmaßnahmen durch Arbeitsmediziner

Ziel ist es, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und im besten Fall zu verhüten. Darüber hinaus leistet die arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes.

Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge geht es nicht um den Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen.

Die Änderungsverordnung richtet sich an Arbeitgeber sowie an Ärzte und stellt beide Seiten vor erhebliche Herausforderungen. „Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt klagen darüber, dass nicht genügend Arbeitsmediziner zur Verfügung stehen. Ärzte stehen vor der Herausforderung, nach Erkennen notwendiger Arbeitsschutzmaßnahmen dem Arbeitgeber diese mitzuteilen bzw. ihm konkrete Schutzmaßnahmen vorzuschlagen. Das setzt zum einen die umfassende Kenntnis der Arbeitsplatzbedingungen und -abläufe voraus. Dazu gehört auch gegebenenfalls der messtechnische Nachweis gewisser Expositionen einzelner Umweltfaktoren, die Feststellung der Ursachen für physische und psychische Belastungen folglich die Durchführung einer Gefährdungsanalyse. Eine sorgsame Anamneseerhebung ist für Art und Umfang der weiterführenden diagnostischen Maßnahmen notwendig. Erst aus diesen Analyseergebnissen kann der Arzt Anhaltspunkte gewinnen und wäre in die Lage versetzt beurteilen zu können, ob alle Arbeitsschutzmaßnahmen ausgeschöpft sind und darüber hinaus ergänzende Arbeitsschutzmaßnahmen vorzuschlagen sind, würde häufig nicht das Wissen über geeignete technische Arbeitsschutzmaßnahmen fehlen. Hier setzt die enge Zusammenarbeit mit Fachkräften für Arbeitssicherheit ein“, so Dr. Sigrun Trognitz Geschäftsführerin des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt e.V.(AVW).

Untersuchungsanlässe sind die Pflichtvorsorge, die Angebotsvorsorge und die Wunschvorsorge. Neu ist, dass der Arbeitgeber nun auch im Falle von Angebots- und Wunschvorsorge eine Bescheinigung erhält und auch hierzu eine Vorsorgekartei führen muss.

Eignungsuntersuchung vor Abschluss des Arbeitsvertrages und im bestehenden Beschäftigungsverhältnis

Arbeitsmedizinische Vorsorge darf nicht mit Untersuchungen zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung fürberufliche Anforderungen verwechselt werden und grenzt sich von der Einstellungs- und Eignungsuntersuchung ab. „Für Eignungsuntersuchungen hat sich nichts geändert. Eignungsuntersuchungen unterliegen insbesondere arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Beispielsweise darf der Arbeitgeber den Abschluss eines Arbeitsvertrages von einer gesundheitlichen Untersuchung abhängig machen, wenn die Untersuchung zur Feststellung erforderlich ist, dass der Bewerber zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist, vergleiche § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Eignungsuntersuchungen vonseiten des Arbeitgebers im bestehenden Beschäftigungsverhältnis verlangt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der fortdauernden Eignung des oder der Beschäftigten begründen. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist wichtig, dass arbeitsmedizinische Vorsorge nicht mit Untersuchungen zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen verwechselt wird. Eignungsuntersuchungen sind gutachterliche Untersuchungen im Auftrag des Arbeitgebers. Bei Eignungsuntersuchungen muss vonseiten des Beschäftigten der Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen erbracht werden. Gelingt das nicht, ist ein Tätigkeitsausschluss die Folge, der regelmäßig dazu führt, dass der Beschäftigte den Arbeitsplatz nicht bekommt oder ihn aufgeben muss. Das ist bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge anders. Hier geht es um die persönliche Aufklärung und Beratung des Beschäftigten über persönliche Gesundheitsrisiken bei der Arbeit. Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge verbietet Eignungsuntersuchungen nicht. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsuntersuchungen sollen jedoch grundsätzlich getrennt durchgeführt werden. Ist das aus betrieblichen Gründen nicht möglich, dann müssen die unterschiedlichen Zwecke von Vorsorge und Eignungsuntersuchungen transparent gemacht werden. Dies ist die Aufgabe des Betriebsarztes im Vorsorgetermin. Auch hinsichtlich der Bescheinigung ist eine klare Trennung notwendig. Das Ergebnis einer Eignungsuntersuchung darf nicht auf der Vorsorgebescheinigung vermerkt werden.“[1]

Durch die Änderung der arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung ist die Bescheinigung der gesundheitlichen (Un)bedenklichkeit weggefallen. Demnach erhält der Arbeitgeber zukünftig bei Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach dieser Verordnung keine Information mehr vom Betriebsarzt, ob sich bei der Untersuchung eines Beschäftigten gesundheitliche Bedenken ergeben haben oder nicht. Seine Verpflichtung besteht darin, den Arbeitgeber über nicht ausreichende Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu informieren und ihm Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorzuschlagen.

[1] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Arbeitsschutz, Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) 2013, Stand: April 2014, A 453

pdfPM-AVW_-_Arbeitsmedizinische_Vorsorge.pdf